Geschichts- und Vergangenheitsbewältigung von Lt. Christian Hopfensperger 

Referat zur Jahreshauptversammlung 2002 der Josef- Hager- Schützenkompanie:

Sehr geschätzte Ehrengäste, liebe Marketenderinnen und Schützenkameraden, geschätzte Freunde der Josef- Hager- Schützenkompanie

Zum schon traditionellen Bestandteil unserer Jahreshauptversammlung gehört seit Jahren mein Bildungsreferat. Und heuer möchte ich einmal ein Thema aufgreifen, daß nicht nur Schützenspezifisch ist , sondern ein zur Zeit allgemein brisantes Thema- ja man könnte sogar sagen "Problem" - darstellt.

"Geschichts- und Vergangenheitsbewältigung aus der Sicht der österreichischen Nachkriegsgeneration."

Ich habe dieses Thema ganz bewußt gewählt, da gerade unsere Spitzenpolitiker zur Zeit die Wörter Geschichte und Vergangenheit oft verwechseln und sehr  mißbräuchlich verwenden.

Man kann zuerst an dieses Thema sehr allgemein herangehen und die Vergangenheit als alles Erlebte definieren. Alles was seit meiner Geburt oder seit Bestand einer Sache geschehen ist. Die Geschichte war aber davor. Und so kann man die Reihenfolge mit den Zeitabläufen "Geschichte- Vergangenheit- Gegenwart und Zukunft" definieren.

Bezogen auf die 2. Österreichische Republik startet die Vergangenheit mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages 1955. Alles was davor war, ist schon Geschichte.

Für was kann der lebende Mensch Verantwortung übernehmen?

Wohl nur für Dinge, die in seiner Vergangenheit geschehen sind. Die Geschichte kann er wohl nur lernen, sich damit beschäftigen und versuchen daraus Schlüsse zu ziehen. Daraus ergibt sich für die österreichische Nachkriegsgeneration und für unsere gewählten politischen Mandatare die Verpflichtung, die Verantwortung für die Vergangenheit seit  1955 zu übernehmen. Aus dem politischen Geschehen davor können wir nur versuchen, Verständnis für das Geschichtliche zu bekommen und Schlüsse für die zukünftige Entwicklung zu ziehen. Die Geschichte fängt aber nicht 1938 an und endet 1945, sondern das jeweilige Zeitgeschehen hat sich in Jahrzehnten, ja Jahrhunderten entwickelt. Ich denke an die Entwicklung des letztendlich übersteigerten Nationalbewußtseins,dessen Wurzeln weit ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Auch der Antisemitissmus hat saeine Wurzeln in der beginnenden Ghettoisierung schon  im Mittelalter. Und so lassen sich viele Geschehnisse vor 1955 aus einem anderen Blickwinkel sehen. Es bedarf nur einer geschichtlichen Bildung, um größere geschichtliche Zusammenhänge und Zeitabläufe zu verstehen. Das ist unsere Aufgabe, unsere Verpflichtung im Umgang mit Geschichte. Auch das Sudetendeutsche Konfliktfeld beginnt nicht erst 1945, sondern schon 1919, als gewählte politische Mandatare aus den österreichischen Bundesländern Sudetenland und Deutschmähren nicht nach Wien reisen durften, um am neugewählten Nationalrat der 1. Republik teilzunehmen.

Diese beiden Bundesländer wären nämlich das 10. und 11. Bundesland der 1. Republik gewesen.

Ein Problem stellt anscheinend für gewisse Kreise auch der Begriff einer " Österreichischen Nationalität " dar. Das ist aber keine Frage der Volkszugehörigkeit, sondern ebenfalls Frage einer jahrzehntelanger Entwicklung. Verschiedenste Mentalitäten- ich denke an den raunzenden Wiener, den melancholischen Kärntner oder den "Hüslebuenden" Vorarlberger- haben durch das gemeinsame Ziel, diese 2. Republik aus Schutt und Asche aufzubauen in der Vergangenheit ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt und für ihre Kinder eine neue Heimat geschaffen. Wenn man dies als "Österreichische Nation" bezeichnen kann, so sollten wir stolz darauf sein.Auf jeden Fall hat es mir nie Probleme bereitet, auf Dokumenten als Nationalität " Österreicher" anzugeben

 Es gibt aber auch geschichtliche Begründungen für diesen Begriff. Sehen unsere deutschen Nachbarn gerne Kaiser Friedrich Barbarossa als Begründer einer deutschen Nation, so geht der Einigungsprozess Österreichs im Mittelalter auf Kaiser Rudolf I von Habsburg zurück. Und auch damit sollten wir keine Probleme haben.

Was ist nun für uns Tiroler Schützen die Geschichte und was ist die Vergangenheit?

Die Vergangenheit des Winterstellerbataillons beginnt mit seiner Gründung vor 50 Jahren im Gasthof Kramerwirt hier in Oberndorf. Die Geschichte beginnt mit der Herausgabe des Landlibells 1511 durch Kaiser Maximilian I und endet eigentlich mit dem letzten Ausrücken der Schützen als Standschützen 1915.  Das alte Tirol in seinen Grenzen vor 1914 ist ebenfalls Geschichte und viele politische Entwicklungen haben aus den verschiedenen Landesteilen eigenständige, wohlentwickelte Länder gemacht. Man muß auch den wirtschaftlichen Aufstieg dieser Länder seit 1945 sehen. Es gibt heute einige Barrieren, die Welsch-, Süd- und Nord- bzw. Osttirol trennen.

Unsere Aufgabe als Tiroler Schützen wird es sein, zu verstehen, warum diese Barrieren entstanden sind. Nur mit diesen Erkenntnissen kann man daran gehen langfristig wieder diese Europaregion Tirol aufzubauen. Den kleinsten gemeinsamen Nenner müssen wir sowohl nördlich als auch südlich des Brenners suchen und auf diesem aufbauen.

Geistige Landeserneuerung ist gefragt und das ist Aufgabe vor allem auch der Tiroler Schützen als Bestandteil der Identität dieses Landes. Aber wir müssen versuchen, nicht immer nur schöne Worte zu finden, sondern wir müssen Taten setzen. Große farbenprächtige Schützenumzüge und herrliche Sonntagsreden haben ihren Platz, sind aber sicherlich zu wenig Aktivität. Unsere gemeinsamen Ziele müssen durch sichtbare Zeichen und Taten verwirklicht werden. Verständnis für die Tiroler Geschichte, Verantwortung für unsere Vergangenheit als Josef- Hager- Schützen und mit dem Wissen der Geschichtsablaüfe die Zukunft gestalten, das ist unsere gemeinsame Aufgabe.

Ich darf in diesem Zusammenhang auf den heurigen Bildungstag am So., 24. 11. 2002 in Hopfgarten im Brixental hinweisen, der sich ebenfalls mit dem Thema " Geschichts- und Vergangenheitsbewältigung " befassen wird. Hochkarätige Historiker und hoffentlich eine anrgegende Diskussion versprechen einen sehr interessanten Tag. Der Bildungstag wird öffentlich zugänglich sein und ich hoffe, daß viele von Euch dieser Veranstaltung beiwohnen.

Ich wünsche der Jahreshauptversammlung einen guten Verlauf und wünsche eine weiterhin funktionierende Zusammenheit mit Euch allen im kommenden Jahr.

 

Oberndorf, am 09. 06. 2002,

 

Schützen Heil,

Christian

 

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