Rupert Wintersteller von Mjr. Adolf Nagiller
Von Schützenmajor Adolf Nagiller (verstorben)
Zu den markantesten Schützenanführern in den Tiroler Freiheitskriegen 1796 bis 1809 gehört der Schützenmajor Rupert Wintersteller aus Kirchdorf i. T.
Rupert Wintersteller wurde am 25. Jänner 1773 in Kirchdorf i. T. geboren. Er wollte sich seiner tapferen Vorfahren, Ur- und Großvater, wehrhaft und würdig zeigen und trat 23jährig bereits 1796 seine Schützenlaufbahn an. Noch im gleichen Jahr zog er unter Hauptmann Josef Schlechter von Kitzbühel mit der ersten Scharfschützenkompanie des Gerichtes Kitzbühel ins Engadin, den Vinschgau, dann ins Etschtal, wo er die siegreichen Kämpfe bei Faedo und Calliano mitmachte. Am 12. Februar 1797 rückte er als Leutnant der Kitzbüheler Scharfschützen über den Brenner wieder ins Etschtal vor, beteiligte sich an den Kämpfen bis Salurn. Für Mut und Ausdauer erhielt der junge Leutnant Wintersteller die Große Silberne Tapferkeitsmedaille.
Mit gleichem Eifer nahm Rupert Wintersteller bei den Schützenauszügen im Jahre 1800 teil und kämpfte am 19., 2 1. und besonders 24. Dezember gegen die aus Salzburg eindringenden Franzosen bei Melleck und am Jettenberg. Für diesen mannhaften Anteil am siegreichen Abwehrkampf 1800 wurde er vom Kirchdorfer Schützenhauptmann Georg Reischer zum Oberleutnant befördert.
In den folgenden Jahren benützte Wintersteller jede Gelegenheit, die Kirchdorfer Schützen im Schießen eifrigst auszubilden. Er kaufte aus seinem Vermögen Gewehre, Pulver und Blei, schenkte davon viel den ärmeren Schützen. Wintersteller war im Jahre 1805 mit seinen Schützen gerüstet, die vom Feind bedrohten Landesgrenzen bei Kössen und am Paß Strub zu verteidigen.
Als Hauptmann der Kirchdorfer Schützen stand er im Oktober 1805 bei Kössen, eilte aber am 1 . November seinem guten Kampfgefährten, Scharfschützenhauptmann Joseph Hager von Oberndorf, am Paß Strub zu Hilfe.
Am frühen Morgen des 2. November 1805 erfolgte der Angriff des bayerischen Generals Deroy mit großer Übermacht. Schützen und Landsturmmänner, namentlich aus Kitzbühel, unter den Hauptleuten Hager, Wintersteller und Oppacher, die St. Johanner Schützen unter Georg Reischer und die Kirchdorfer unter Hauptmann Johann Gruber, haben zwei Tage am Paß Strub im Verbande mit Militär, Graf St. Julien, Miliz, Graf Wolkenstein heldenhaft gekämpft und den Durchbruch des Feindes nach Tirol mit großen Opfern abgewehrt.
Der großen Siegesfreude der tapferen Freiheitskämpfer folgte bald der Preßburger Friede (26. Dezember 1805) und damit die Übergabe Tirols an Bayern. Schweigend ergab sich Rupert Wintersteller in das unverdiente Geschick und ertrug mit innerem Groll die harten Verfügungen der bayerischen Regierung. Er vergaß aber nie den Artikel 8 des Preßburger Friedens, der dem Land Tirol die Verfassung, alte Rechte und Privilegien zusicherte.
Schon im September 1806 besuchte ihn der ihm gut bekannte Andreas Hofer. Oft kamen Wintersteller, die Hauptleute Hager, Reischer, Oppacher und der Kitzbüheler Schützenkommandant Josef Schlechter zu geheimen Lagebesprechungen zusammen. Andreas Hofer hat zu Jahresbeginn 1809 auf seiner Hin- und Rückfahrt nach und von Wien beim "Bärenwirt" in St. Johann mit Rupert Wintersteller den Tiroler Volksaufstand vertraulich besprochen.
Am 1 1. April 1809 erhielt Wintersteller von Andreas Hofer die Nachricht: "Jetzt geht's los!" Seine erste Aufgabe war, die bayerische Besatzung in der Stärke von 1200 Mann zu überrumpeln und gefangenzunehmen. Dies erfolgte gleich in der Nacht zum 12. April völlig kampflos. In St. Johann wurde diese Aktion von Wintersteller mit seinen Schützen selbst durchgeführt und 180 Mann gefangengenommen.
Die in Kitzbühel von Schützenmajor Josef Schlechter und in der weiteren Umgebung gefangenen Soldaten - über 1250 Mann - wurden über Lofer nach Salzburg gebracht. Mit der Eskorte wurde Schützenoberleutnant Thomas Reischer betraut. Rupert Wintersteller hat auf eine humane Behandlung der unschuldig Gefangenen besonderen Wert gelegt. Dies kam ihm in der weiteren schweren Zeitfolge noch sehr zugute.
Das war für den Volksaufstand ein guter Anfang, aber Wintersteller sah schwere Zeiten kommen. Er setzte sich sofort mit den Schützenhauptleuten des Gerichtes Kitzbühel und mit dem Schützenkommandanten des Gerichtes Kufstein, Major J. Sieberer, in Verbindung, um für die Landesverteidigung in diesen Grenzabschnitten und Belagerung der Festung Kufstein gemeinsam alle taktischen und örtlichen Vorbereitungen zu treffen. Die Schützenhauptmänner in den Gerichtsgemeinden Kitzbühel haben Wintersteller als kampfbefähigten Anführer anerkannt, dies umso mehr, da Schützenhauptmann Joseph Hager im Jahre 1808 im Alter von 43 Jahren gestorben war. Als der k.k. Intendant von Roschmann in diesem vom Feind unmittelbar bedrohten Grenzraum Kössen eintraf, wurde Rupert Wintersteller zum Major und Distriktskommandanten der gesamten Schützen- und Landsturmmannschaften des Landgerichtes Kitzbühel ernannt. Der Schwerpunkt der Verteidigung wurde von Roschmann und Wintersteller auf die mehr offene Landesgrenze bei Kössen verlagert, weil dort durch Scheinmanöver und falsche Nachrichten der feindliche Angriff erwartet wurde. Leider ließ sich Wintersteller von der Unrichtigkeit dieser Annahme zu spät überzeugen. Auch den alarmierenden Verstärkungsbitten der Paß-Strub-Schützenkommandanten, Hauptmann Anton Oppacher, Jochberg, und Hauptmann Josef Hechenberger, Bürgermeister von Kitzbühel, wurde zuerst kein Gehör geschenkt. Erst als der Geschützdonner immer stärker vom Paß Strub her brummte, wurde der verhängnisvolle Irrtum erkannt.
General Wrede rückte am 11. Mai 1809 - Christi-Himmelfahrts-Tag - mit 18.000 Mann und mehreren Kanonen gegen den Paß Strub vor und griff den nur schwach besetzten Grenzpaß mit überlegener Waffenwirkung an. Die tapferen Verteidiger, Oppacher und Hechenberger, haben mit einem Häuflein Schützen, Landsturmmännern und Soldaten den wütenden Ansturm des Feindes neun Stunden abgewehrt, mußten aber schließlich der großen Übermacht mit schmerzvollen Opfern (87 Tote) weichen.
Der Feind verlor bei diesem Angriff rund 1000 Mann an Toten und Verwundeten, rückte aber an diesem Tag noch bis Waidring vor. Oppacher und Hechenberger, auf gefahrvollen Umwegen noch in die Gegend von Waidring/Erpfendorf gekommen, unterrichteten Wintersteller und von Roschmann über die überwältigende Stärke und Bewaffnung des Feindes und des aussichtslosen Widerstandes. Diese Ratschläge wurden unwillig angehört. Major Wintersteller, von Roschmann entsprechend angefeuert, sah den Kampf noch nicht verloren. Er rückte mit den noch aufgebotenen Mannschaften gegen Waidring vor und wollte bis zum Eintreffen der von Feldmarschall-Leutnant v. Chasteler und General Fenner versprochenen k.k. Truppen den vorrückenden Feind aufhalten. Zu diesem Abwehrkampf standen dem Oberkommandanten Wintersteller nur 700 Schützen, rund 1000 Landsturmmänner vom Gericht Kitzbühel, davon 200 Brixentaler, und 40 tapfere Weibsbilder von St. Johann und Kitzbühel zur Verfügung. Die bayerisch-französische Armee unter General Wrede trat am 12. Mai 1809, gegen 4 Uhr morgens, mit einer starken Streitmacht wieder zum Angriff an und rückte gegen Erpfendorf vor. Mehrere Stunden dauerte dieser Kampf der tapferen Schützen und des Landsturmaufgebotes gegen die kriegsgeübten und gut bewaffneten Feindtruppen. Auf beiden Seiten waren bittere Verluste an Toten und Verwundeten zu beklagen. Aller Mut und Kampfeswille schwand aber, als die Nachricht verbreitet wurde, Chasteler und Fenner haben sich, statt Hilfe zu bringen, aus dem Kampfgebiet abgesetzt und über Söll nach Wörgl zurückgezogen. Major Wintersteller befahl nun notgedrungen den Rückzug seiner Schützen und Landsturmmänner, der vom Schützenhauptmann Thomas Reischer, Kirchdorf, gedeckt wurde.
Für Rupert Wintersteller kam der folgenschwerste und opfervollste Tag in seinem Leben. Er flüchtete vom Kampfplatz mit dem k.k. Intendanten von Roschmann auf den Aberg bei Erpfendorf. Von dort aus mußte der Landesverteidiger Wintersteller die barbarische Rache des Feindes, den Untergang seines Heimatdorfes und seines eigenen Besitzes, mit ansehen. Ihm allein verbrannten 17 Gebäude, davon sein großer Gasthof und vier andere Häuser.
Ganz Kirchdorf war bis gegen Mittag ein Flammenmeer, aus dem wie durch ein Wunder nur mehr der völlig unversehrte Kirchturm emporragte. Dabei mußte Wintersteller auch um das Leben seiner Familie bangen, die er erst nach mehreren Tagen fand. Er mußte mit seinen treuen Mitkämpfern in den Bergen herumirren und war gezwungen, das abgebrannte Dorf zu meiden, da der Feind auf seinen Kopf einen Blutpreis von 100 Dukaten gesetzt hatte.
Er konnte sich aber ohne Furcht vor Verrat auf den naheliegenden Almen aufhalten und fühlte sich gesichert durch die ihm gezollte Achtung und Liebe seiner Landsleute. Wintersteller faßte wieder Mut und schrieb scherzend an Andreas Hofer, daß er froh sei, die von seinem Urgroßvater erbeutete bayerische Trommel aus dem Jahre 1703 gerettet zu haben.
Von Andreas Hofer erhielt Wintersteller am 31. Mai 1809 aus Rattenberg den Befehl, sich eiligst nach Kössen und Walchsee zu begeben, um die feindliche "Retirade" zu verhindern. Er übernahm das Oberkommando über das neuerliche Schützenaufgebot des Gerichtes Kitzbühel und erkundete die bedrohte Lage im ganzen Grenzgebiet jetzt mit Schwerpunkt Paß Strub. Als nach dem Waffenstillstand von Znaim Marschall Lefebvre am 27. Juli 1809 mit einer starken Streitmacht von 15.000 Franzosen, Bayern und Sachsen an den Paß Strub heranrückte, ließ Wintersteller im Einvernehmen mit den entsandten Parlamentären die "Lefebvre Truppen" unbehelligt durchziehen, da in dieser Situation ein Abwehrkampf der auf sich allein gestellten Schützen- und Landsturmkompanien des ohnehin schon schwer heimgesuchten Gerichtsbezirkes Kitzbühel aussichtslos gewesen wäre. Dieser Kapitulationsentschluß trug Wintersteller bei Andreas Hofer zwar kein besonderes Lob ein.
Am 24. September 1809 marschierten 4300 Tiroler Schützen an die wieder bedrohte Kitzbüheler Gerichtsgrenze. Die Inn- und Brixentaler Schützen kommandierte Major Speckbacher, der über Lofer nach linken vorrückte. Wintersteller marschierte mit seinem Schützenaufgebot von Kössen über Winkelmoos in die Angriffsrichtung Unken, wo er am nächsten Tag im erbitterten Kampf um den Friedhof eine seiner größten Waffentaten vollbrachte.
Am 14. Oktober überantwortete der Wiener Friede das Land Tirol an Bayern. Eine Kriegsmacht von 25.000 Mann rückte gegen das Tiroler Unterland heran. Wintersteller, der die schreckliche Lage erkannte, war für die Fortsetzung des Kampfes nicht mehr zu haben, versuchte mit Oppacher auf die Schützen beruhigend einzuwirken und bewahrte so die Gegend vor weiterem Blutvergießen und schweren Gewalttaten. Er selbst flüchtete zu seinem Waffenkameraden Oppacher nach Jochberg. Beide mußten sich am 9. Dezember 1809 einem Kriegsgericht stellen, wurden aber freigesprochen, da sie nach dem letzten Friedensschluß nicht mehr gekämpft haben.
Schützenmajor Rupert Wintersteller, früher der reichste Mann des Dorfes, war durch die Vernichtung seiner 17 Häuser (12. Mai 1809) ein Bettler geworden. Die goldene Kette und Medaillen der Vorfahren mußte er verkaufen, um noch leben zu können. Die Erschießung Andreas Hofers traf ihn zutiefst, er war ein seelisch gebrochener Mann. Bei einer Kaiseraudienz in Wien im September 1810 erhielt Wintersteller für sich und die Hinterbliebenen gefallener Schützen 10.000 Gulden. Nach dem für Napoleon und seine Verbündeten unglücklichen Feldzug in Rußland befürchtete Bayern eine neuerliche Volkserhebung in Tirol. Aus diesem Grunde wurden auch die bekannten Schützenanführer in Haft genommen. So wurde auch Wintersteller in Ketten gelegt, zuerst nach München und dann weiter nach Ingolstadt gebracht. In der dortigen Festungshaft mußte er 216 Tage verbringen, immer den Hinrichtungstod und die Sorge um seine Familie vor Augen. Erst als Bayern am 13. Oktober 1813 von Napoleon abfiel und sich auf die Seite der Alliierten stellte, erwirkte Kaiser Franz im Vertrag von Ried mit Bayern seine Freilassung.
Am 8. Juni 1815 konnte Major Wintersteller dem Kaiser Franz bei seiner Durchreise in St. Johann die große Schützenparade mit 1400 Mann gehorsamst melden. Bei diesem Anlaß kündigte ihm der Monarch die Verleihung der "Großen Goldenen Medaille" an, die ihm dann am 16. Juli 1815 in der Stadtpfarrkirche in Schwaz zugleich mit Major J. Speckbacher und Hauptmann J. Rainer, Söll, verliehen wurde. Am 19. Oktober 1815 kommandierte Wintersteller noch einmal die Schützen des Landgerichtes Kitzbühel bei der großen Tiroler Schützenparade mit 10.000 Mann vor dem Kaiser in Innsbruck.
Im Jahre 1819 erhielt Major Rupert Wintersteller eine jährliche Pension von 400 Gulden. Nach langem Siechtum verstarb Rupert Wintersteller, Vater von acht Kindern, am 30. August 1832 im Alter von 58 Jahren. Er wurde neben der Friedhofskapelle zu Kirchdorf in allen Ehren begraben. Ein einfacher Stein soll die Nachwelt an diesen großen Tiroler Freiheitshelden erinnern. Am Ortseingang von Kirchdorf steht das im Jahre 1901 errichtete Denkmal der wehrhaften "Wintersteller Schützengeneration" von 1703, 1741/42, 1796 bis 1809, das am 15. September 1901 unter der Patronanz von Erzherzog Eugen enthüllt wurde. Damit wurde dem Unterinntaler Landesverteidiger Wintersteller die gebührende Ehre erwiesen.